Rechtsanwältin Mag. Katharina Braun
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Insiderhandel : Ich weiß etwas, was du nicht weißt.

Insiderhandel. Wer Unternehmensinterna kennt und das für Aktiengeschäfte ausnützt, macht sich strafbar. Im Detail ist die Abgrenzung jedoch schwierig. Experten kritisieren Unklarheiten im Gesetz.

Wie tauglich sind die heimischen Vorschriften gegen Insiderhandel? Darüber wird zurzeit heftig diskutiert. Vor allem die Regeln über sogenannte „ Director´s Dealings“ seien unklar, lautet ein Hauptkritikpunkt. Topmanager können hier leicht in ein Dilemma kommen: Sind sie zugleich Aktionäre ihres Unternehmens, geraten sie bei Transaktionen rasch in Verdacht, ihren Wissensvorsprung auszunützen. Sind sie es nicht, schadet das womöglich dem Unternehmensimage, frei nach dem Motto: Der Chef wird schon wissen, warum er sein eigenes Geld lieber nicht in die Firma steckt.

Geregelt ist das Verbot des Insiderhandels – in Umsetzung der europäischen Marktmissbrauchs – Richtlinie – im Börsegesetz. „ Diese Bestimmungen sind sehr komplex und unstrukturiert“, so Rechtsanwalt Manfred Ketzer aus der Kanzlei Hausmaninger Kletter. Einfach ist lediglich die Regelung des Gerichtsstandes: Zuständig ist immer das Landesgericht für Strafsachen Wien. „ Hintergrund ist der Wunsch, zu diesem diffizilen Tatbestand ein Kompetenzzentrum zu schaffen“, meint Ketzer.

Was ist überhaupt eine Insiderinformation? Es handelt sich dabei um eine genaue Information, die Emittenten von Finanzinstrumenten betrifft und, würde sie öffentlich bekannt, geeignet wäre, den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Also etwa Insiderwissen über das Unternehmen, seine Auftragslage, Finanzierungssituation, bevorstehende Geschäftsabschlüsse oder sonstige Dinge, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich bei Entscheidungen als Grundlage mitberücksichtigen würde. Um Insiderhandel zu verhindern, müssen Emittenten von Finanzinstrumenten Insiderinformation, die sie unmittelbar betreffen, in Form sogenannter Adhoc – Meldungen unverzüglich der Börse bekannt geben.

Einen Missbrauch begeht nicht nur, wer aufgrund einer solchen, noch unveröffentlichten Information Wertpapiere kauft oder verkauft, sondern auch, wer auf dieser Basis eine Kauf – oder Verkaufsempfehlung gibt oder die Information unzulässigerweise an einen Dritten weitergibt. „ Die gesetzliche Regelung lässt viele Fragen offen, zum Beispiel, was im Einzelfall unter einer erheblichen Beeinflussung des Kurses zu verstehen ist oder ob tatsächlich bereits eine genaue Information vorlag“, so Ketzer.

Noch keine Verurteilung

Als entsprechend schwierig erweist sich die praktische Anwendung dieser Bestimmungen. Einerseits gerät man als Manager leicht in falschen Verdacht, andererseits sind tatsächliche Verstöße schwer nachweisbar. Zum Missbrauch einer Insiderinformation gibt es, so Hubert Hinterhofer, Professor an der Universität Salzburg, bisher keine OGH Rechtsprechung. Und die gerichtliche Kriminalstatistik bis 2009 weise keine winzige Verurteilung wegen Insiderhandels aus.

„ Rund um das Thema spielt sich vieles in einer Grauzone ab“, gibt Anlegervertreter Wilhelm Rasinger zu bedenken. Aufgrund der fehlenden Verurteilungen dürfe nicht der Schluss gezogen werden, dass „ alles in bester Ordnung sei“. Insiderhandel erschüttere das Vertrauen in den Kapitalmarkt, weshalb in solchen Fällen „ alle ein Interesse an der Aufklärung haben müssten“, meint er.

Die Strafdrohung gilt, so Hinterhofer nicht nur für Primärinsider, etwa Vorstands – oder Aufsichtsratmitglieder. Sondern auch für Sekundärinsider, also Personen, denen eine Insiderinformation mitgeteilt wurde und die sie dann verwerten. Der Tatbestand ist sehr weit gefasst, beispielsweise muss nicht unbedingt ein Bereicherungsvorsatz vorliegen. Zudem gibt es etwa für Bankbeamte, wollen diese nicht selbst straffällig werden, eine Meldepflicht, wenn sie auffällige Banktransaktionen mitbekommen.

Taxler als Insider

„ Strafbar wäre auch ein Taxifahrer, der den Vorstand einer Aktiengesellschaft chauffiert, dabei von der bevorstehenden Unternehmensübernahme erfährt und aufgrund dieser Information einen Aktienkauf tätigt“, erklärt Ketzer. „ Oder der Gast eines Firmenbanketts, der in einem Gespräch mit dem Vorstand von dem M & A Deal erfährt.“

Damit es zu einer Verurteilung kommt, müsste jedoch der Staatsanwaltschaft der Nachweis gelingen, dass es sich dabei um eine „genaue“ Information mit „erheblichen“ Einfluss auf den Börsekurs gehandelt hat. Und dass die Kauf – oder Verkaufsentscheidung tatsächlich dadurch zustande gekommen ist und nicht etwa aufgrund anderer Gerüchte, die wahrlich nicht verboten sind. Entsprechend komplex sind die Ermittlungen, und es gibt zwangsläufig eine breite Grauzone.

Börsenotierte Unternehmen unterliegen diesbezüglich der Aufsicht der FMA. „ Ergibt sich aus der laufenden Überwachung des Handels ein begründeter Verdacht auf einen Verstoß gegen dieses Verbot des Insiderhandels, muss die FMA das bei der Staatsanwaltschaft anzeigen“, erklärt FMA – Sprecher Klaus Grubelnik. Diese kann die FMA mit weiteren Ermittlungen beauftragen, die rechtliche Beurteilung der Ergebnisse liegt aber bei der Staatsanwaltschaft und Gericht.

Umstritten ist, ob die FMA mehr Ermittlungsbefugnisse bekommen sollte. Das könne nicht ohne Rechtsgüterabwägung erfolgen, sagt Helmut Fuchs, Strafrechtsprofessor an der Universität Wien. Dem Schutz des Vermögens stehen die Persönlichkeitsrechte des zu Überwachenden gegenüber. „ Bei einem konkreten Tatverdacht sind ohnedies die strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen zulässig, so Fuchs. „Aber für eine wirksame Verfolgung von Insidergeschäften müsste man alle größeren Transaktionen präventiv überwachen.“ Und das würde auch die redlichen Geschäfte treffen.

„ Beurteilt man die Effizienz des Gesetzes allein anhand der Praxisrelevanz, ist es eher ineffizient. Aber ein solcher Zugang wäre verkürzt“, mein Hinterhofer. „ Es könnte ja auch sein, dass das an sich strenge Verbot des Insiderhandels so präventiv wirkt, dass es potenzielle Täter davon abhält.“ Verifizieren lässt sich das allerdings kaum. Und auch die weitere Entwicklung stehe in den Sternen, der Ausgang der anhängigen Verfahren sei offen. „ In Deutschland gab es eine aufsehenerregende Verurteilung wegen Insiderhandels, die auch vom deutschen BGH im Prinzip bestätigt wurde.“

Wachsende Sensibilisierung

Sorgfaltspflichten. Unternehmen müssen sich darum kümmern, dass vertrauliche Informationen das auch bleiben. Und Listen ihrer „ Insider“ führen. Die stehen dann als Anleger unter besonderer Beobachtung.

Emittenten, deren Wertpapiere zum amtlichen Handel oder geregelten Freiverkehr der Wiener Börse zugelassen sind, sind nicht nur an die Regeln des Börsegesetzes gebunden. Sie haben auch die Emittenten – Compliance – Verordnung (ECV) zu beachten. Diese präzisiert börsengesetzliche Vorschriften zur Unterbindung des Insiderhandels. Demnach müssen Emittenten ihre Mitarbeiter über das Verbot des Insiderhandels informieren, Regeln über die Informationsweitergabe im Unternehmen erlassen und organisatorische Maßnahmen zur Unterbindung des Insiderhandels schaffen.

Die ECV verpflichtet Emittenten unter anderem auch zur Bestellung eines Compliance – Verantwortlichen, zur Schaffung von Vertraulichkeitsbereichen ( „ Chinese Walls“) sowie zur Einführung von Sperrfirsten und Handelsverboten, die innerhalb solcher Vertraulichkeitsbereiche tätig sind.

Wer braucht welche Infos?

„ Emittenten haben auch ein Insiderverzeichnis zu führen“, so Rechtsanwalt Manfred Ketzer. „ Darin sind diejenigen anzuführen, die Zugang zu Insiderinformationen haben.“ Bei allfälligen Marktaktivitäten prüfe die FMA, ob die Kontoverbindung, über die die Transaktion erfolgte, einem dieser Insider zuzuordnen ist.

Teilweise mangelt es in den Unternehmen noch am Verständnis dafür, was überhaut Insiderinformationen sind.

Kümmert man sich nicht darum, drohen Haftungsfolgen.

Autor : Mag. Katharina Braun für die Tageszeitung „die Presse“, veröffentlicht am 17.12.2010