Rechtsanwältin Mag. Katharina Braun
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Rückforderung von Ausbildungskosten durch den Arbeitgeber

Abschied kann teuer sein.

Trennt man sich von seinem Arbeitgeber, wird oft die Rückzahlung von Ausbildungskosten zum Streitthema. Die Tragweite zeigt ein aktueller Fall aus dem Spitalsbereich.

Wer auf Kosten seines Arbeitgebers eine teure Ausbildung absolviert, kann zum Ersatz der Ausbildungskosten verpflichtet werden, wenn er bald danach seinen Job wechselt. Das klingt einleuchtend und mag oft durchaus gerechtfertigt sein, kann aber Betroffene im Extremfall in eine existenzgefährdende Situation bringen.

So etwa in jenem Fall, der seit rund einem Jahr immer wieder in Medienberichten auftauchte: Eine beim Land Niederrösterreich angestellte Pflegehelferin hatte im zweiten Bildungsweg die Ausbildung zur Diplomkrankenschwester absolviert und danach rund drei Jahre lang in einem Landesklinikum gewerkt, Aber dann zog sie aus privaten Gründen nach Deutschland, sie bat um einvernehmliche Auflösung ihres Dienstverhältnisses. Der Arbeitgeber stimmte zu, klagte aber Jahre später 36.500 Euro als Kostenersatz ein – und bekam in erster Instanz recht.

Vor Kurzem konnte die Betroffene jedoch aufatmen: Das Oberlandesgericht Wien reduzierte den Ersatzbetrag auf deutlich weniger als die Hälfte. Denn, so Gabriele Lukassen, Rechtsexpertin der AK Niederösterreich: „ Der Betrag hätte aliquotiert werden müssen.“ Zwar hatte sich die Krankenschwester verpflichtet, mindestens sechs Jahre am Landesklinikum zu bleiben, hat aber einen Teil dieser Zeit ja auch tatsächlich abgearbeitet. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig, das Land verzichtete auf eine Revision an den OGH.

Das Thema Kostenersatz stellt sich auch bei weit Alltäglicherem, vom PR – Lehrgang bis zum Computer- oder Englischkurs. „Viele Arbeitgeber investieren gern in die Ausbildung ihrer Mitarbeiter. Idealerweise soll dies jedoch nicht der Konkurrenz, sondern ausschließlich dem eigenen Unternehmen zugutekommen“, so Thomas Angermair, Partner bei Dorda Brugger Jordis. Rückforderbar seien Ausbildungskosten dann, wenn die Ausbildung dem Arbeitnehmer objektiv bessere Berufschancen auf dem Arbeitsmarkt verschafft. Irrelevant sei es dagegen, ob er die erworbenen Kenntnisse im nächsten Job tatsächlich einsetzen kann oder ob sie ihm ein höheres Einkommen verschaffen. Angermair: „Die Kosten für einen Italienischkurs wären auch dann rückforderbar, wenn der Arbeitnehmer diese Sprachkenntnisse im neuen Job nicht braucht.“

Schwierige Abgrenzung.

Im Fall der Krankenschwester, einer Landesbediensteten, beruhte die Ersatzforderung auf einer speziellen Regelung im niederösterreichischen Landesvertragsbedienstetengesetz. Für Privatunternehmen gilt diesbezüglich das Arbeitsvertragsrechts – Anpassungsgesetz (AVRAG), das vorsieht, dass unter gewissen Bedingungen Ausbildungskostenersatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden kann. Auch Kollektivverträge können Näheres dazu enthalten.

Welche Kosten konkret rückforderbar sind, ist in der Praxis ein häufiges Streitthema. Jedenfalls muss es sich um Ausgaben handeln, „ die der Arbeitgeber für eine erfolgreich absolvierte Ausbildung tatsächlich aufgewendet hat, bei der dem Arbeitnehmer Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt wurden“, so Simone Liebmann – Slatin, Rechtsanwältin bei Baker & McKenzie Diwok Hermann Petsche. Diese Kenntnisse müssen auch bei anderen Arbeitgebern verwertbar sein, Ein – oder Umschulungskosten fallen nicht darunter. Wie fließend die Grenzen aber hier oft sind, zeigt die Wiener Rechtsanwältin Ruth Hütthaler – Brandauer anhand eines Beispiels: Sogenannte Typeratings, also Pilotenschulungen für spezielle Flugzeugtypen, wurden in drei OGH – Entscheidungen Einschulungs-, in einer weiteren- die allerdings von einem anderen Senat stammt- als Ausbildungsschritte gewertet. Alle vier Entscheidungen lagen zwar zeitlich noch vor dem Inkrafttreten der AVRAG – Regelung, die klar definiert, dass eine Rückzahlungsverpflichtung nur für Ausbildungs-, nicht aber für Einschulungskosten bestehen kann. „ Wo aber zwischen beiden die Grenze liegt, bleibt eine Frage der Einzelfallentscheidung“, so Hütthaler – Brandauer. Neben dem Aufwand für die Schulung selbst sind auch Lohnkosten rückforderbar. „ Aber nur, wenn der Arbeitnehmer während der Ausbildung zur Gänze von seinen üblichen betrieblichen Aufgaben freigestellt war, ihm aber das Gehalt vom Arbeitgeber weiterbezahlt wurde“, so Rechtsanwältin Kristina Silberbauer.

Angermair verweist in diesem Zusammenhang auf einen Fall, in dem es der Oberste Gerichtshof sogar als zulässig erachtete, von einem Lehrling das Entgelt zurückzufordern, das er während des Besuchs der Berufsschule bezogen hatte. Der Lehrling war zwar zum Besuch der Berufsschule vertraglich verpflichtet gewesen; das wertete das Höchstgericht aber im konkreten Fall als unbeachtlich.

Schriftliche Vereinbarung.

Damit der Ersatzanspruch wirksam zustande kommt, muss er schriftlich vereinbart worden sein. „Mündliche Vereinbarungen sind nicht wirksam. Auch ein E – Mail reicht nicht“, so Silberbauer. Ist der Arbeitnehmer noch nicht volljährig, muss eine Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorliegen. Außerdem darf der Arbeitnehmer normalerweise nicht länger als fünf Jahre an den Arbeitgeber gebunden werden. „ In Ausnahmefällen – wenn die Ausbildung sehr langfristig und kostenintensiv ist, wie etwa jene zum Berufspiloten – kann die Bindung bis zu acht Jahren betragen“, so Liebmann – Slatin.

Weiters muss in der Vereinbarung eine Aliquotierungsregelung enthalten sein. Wie diese im Detail auszusehen hat, ist jedoch gesetzlich nicht geregelt. Liebmann – Slatin: „Möglich ist beispielsweise eine monatliche Reduktion der Rückerstattungsbeträge, gerechnet auf Basis der gesamten Bindungsdauer. Beträgt diese zum Beispiel zwei Jahre ab dem Ende der Ausbildung, müssen sich die rückforderbaren Kosten monatlich um 1/24 reduzieren.“ Laut OGH sei aber auch eine jährliche Aliquotierung zulässig. Der Arbeitnehmer könne also beispielsweise verpflichtet werden, bei Selbstkündigung im ersten Jahr ab dem Ende der Ausbildung die gesamten Kosten zurückzuzahlen.

Eine fehlende oder mangelhaft formulierte Aliquotierung könne für den Arbeitgeber leicht zum Stolperstein werden, erklärt Hütthaler – Brandauer. Beispielsweise hält sie es für unzureichend, wenn nur das Wort „aliquot“ ohne nähere Erläuterung verwendet wird. Das mache die Klausel nichtig, „denn der Arbeitnehmer weiß dann nicht, ob die Berechnung tageweise, wochenweise, monatsweise, quartalsweise, halbjahresweise oder jahresweise erfolgt.“ Auch eine allgemeine Rückzahlungsklausel im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses reiche nicht aus – es bedürfe darüber hinaus konkreter Vereinbarungen für die einzelnen Ausbildungsschritte, in denen Kosten und Rückzahlungsmodalitäten ausgewiesen sind.

Silberbauer verweist dazu auf ein aktuelles OGH – Urteil, wonach in jedem Einzelfall bereits im Vorfeld eine solche konkrete Rückersatzvereinbarung unterschrieben werden muss – zusätzlich zur generellen Klausel über den Ausbildungskostenrückersatz im Dienstvertrag. Sinnvoll sei es außerdem, den Ausbildungsstand der Mitarbeiter und den Aufwand für Ausbildungen mit Belegen zu dokumentieren, um die Höhe der Kosten im Streitfall beweisen zu können.

Soll eine Aufrechnung mit noch ausstehendem Entgelt, etwa Provisionen oder der Abfertigung, möglich sein, muss das ebenfalls vereinbart werden.

Bessere Erwerbschancen?

Bei der Beurteilung, ob die Kostenrückforderung berechtigt ist, achten die Gerichte aber beispielsweise auch darauf, ob die Rückzahlungsverpflichtung womöglich eine unzulässige Kündigungserschwerung darstellt. Außerdem muss die Belastung, die eine solche Verpflichtung für den Arbeitnehmer bedeutet, durch eine etwa gleichwertige Verbesserung seiner Erwerbschancen aufgewogen werden.

Nicht umstritten ist, innerhalb welcher Frist Kostenersatzansprüche geltend gemacht werden müssen. Silberbauer empfiehlt Arbeitgebern, allfällige kollektivvertragliche oder individuell vereinbarte Fallfristen für die Geltendmachung von Arbeitnehmeransprüchen ebenfalls einzuhalten. Denn: „ In der Praxis vertreten Richter immer wieder die Ansicht, dass diese Fristen für die Arbeitgeber ebenso gelten- auch wenn der OGH das nicht so sieht“.

Autor: Mag. Katharina Braun, veröffentlicht in „ die Presse“ am 4.4.2012