Rechtsanwältin Mag. Katharina Braun
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Unternehmen im Visier der Staatsanwälte.

Ungerecht? Unternehmen im Visier der Strafbehörden – ob das Sinn hat, ist umstritten. Gegen die Verbandsverantwortlichkeit gibt es auch verfassungsrechtliche Bedenken. „Eher kontraproduktiv“.

Seit 2006 gilt in Österreich das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, das bei Wirtschaftsstraftaten die strafrechtliche Verantwortung von natürlichen Personen auf Unternehmen erweitert. Wie hat sich dieses Gesetz in den ersten fünf Jahren bewährt? Darüber sind die Meinungen geteilt.

Von der Strafbarkeit betroffen sind diverse Gesellschaftsformen – AG, GmbH, OGH, KG, OEG, KEG – , aber auch Vereine und Privatstiftungen. Voraussetzung für die Strafbarkeit ist, dass die Tat zugunsten des Unternehmens begangen oder aber dessen Pflichten vernachlässigt wurden. Erfasst sind strafbare Handlungen von Entscheidungsträgern und Mitarbeitern – bei Letzteren aber nur dann, wenn im Unternehmen nicht sorgfältig genug auf die Verhinderung solcher Fehltritte geachtet wurde. Als Strafe kommt nur eine Geldbuße in Betracht, deren Höhe von einer Schwere der Straftat und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens abhängt und die im Extremfall bis zu 1,8 Millionen Euro betragen kann.

Ungerechtigkeiten ortet Rechtsanwältin Bettina Knötzl, Partnerin bei Wolf Theiss, vor allem in jenen Fällen, in denen das Unternehmen selbst geschädigt wurde, aber trotzdem strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird. Als Beispiel nennt sie unzulässige Kick – back – Zahlungen. „ In einem solchen Verfahren stünden dem Unternehmen eigentlich Opferrechte zu“, meint sie. Ein weiteres Manko des Gesetzes bestehe darin, dass zwar unter bestimmten Voraussetzungen von einer Strafverfolgung des Unternehmens abgesehen werden kann, diese Vorgehensweise aber im Ermessen der Staatsanwaltschaft liegt.

Die praktische Bedeutung des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes sei bislang gering, so Peter Lewisch, Professor an der Imadec University und Strafrechtsexperte bei CHSH. Bedauerlich findet er das nur aus einem Grund: „ Mangels Anlassfällen kann es nicht zu einer Prüfung dieses Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof kommen.“

Gesetz verfassungswidrig?

Die verfassungsrechtlichen Einwände dagegen sind aus seiner Sicht erheblich: „ Die Verbandsverantwortlichkeit führt naturgemäß dazu, dass letztlich Personen die wirtschaftlichen Konsequenzen eines Fehlverhaltens tragen müssen, die dieses nicht begangen haben.“ Etwa die Aktionäre und die Mitarbeiter des Unternehmens, die indirekt mit abgestraft werden.

Die Ungerechtigkeit sei aber noch gar nicht die grundlegendste verfassungsrechtliche Problematik: „ Diese besteht darin, dass der Verband für ein Verhalten bestraft wird, das er selbst nicht begangen hat. Für eine schadenersatzrechtliche Haftung ist eine solche Zurechnung fremden Verhaltens kein besonderes Problem. Strafrechtliche Schuld ist aber höchstpersönliche Schuld.“ Und somit einer Zurechnung nicht zugänglich. Das Gesetz lässt es aber sogar zu, dass jenes Verhalten, das dem Verband als Straftat zugerechnet wird, nicht einmal die für eine Individualstraftat erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Dieses Defizit zeige sich besonders deutlich, wenn es um Vorsatztaten von Mitarbeitern geht. „ Hier genügt laut Gesetz die bloße Tatbestandsverwirklichung durch den Mitarbeiter, ohne auf die Schuldhaftigkeit dieses Verhaltens abzustellen.“ Der Verband werde in diesem Fall selbst dann für eine Vorsatztat bestraft, wenn es beim Mitarbeiter an Verschulden fehlt. Denkbar wäre das etwa, wenn sich der Mitarbeiter auf entschuldigenden Notstand berufen kann. Einzige zusätzliche Voraussetzung: Auf Unternehmensleitungsebene muss ein Organisations – oder Überwachungsfehler dazu kommen – also ein bloß fahrlässiges Verhalten. Das Unternehmen könne also für ein Vorsatzdelikt bestraft werden, obwohl dort niemand einschlägige Schuld verwirklicht hat. Lewisch: „ Das erscheint mit dem verfassungsrechtlichen Sachlichkeitsgebot kaum vereinbar.“

In Österreich sind die pro Jahr nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz ausgesprochenen Verurteilungen vorerst noch an einer Hand abzählbar. Auch in anderen Staaten sei die Bedeutung vergleichbarer Gesetze eher gering, so Lewisch, der anstelle der Verbandsverantwortlichkeit lieber „ mehr Individualverantwortlichkeit“ sehen würde. „ Nur Menschen handeln. Dieses Handeln braucht vernünftige und klare Verhaltensregeln, für deren Einhaltung der Einzelne dann auch geradestehen soll.“ Eine Kollektivierung individueller Verantwortlichkeit „ verdünne“ dagegen die Anreize für rechtmäßiges Verhalten. „ Verbandsverantwortlichkeit ist daher kontraproduktiv.“

Präventionsmaßnahmen dokumentieren

Um nicht mit dem Unternehmensstrafrecht in Berührung zu kommen, empfiehlt Natalie Seitz, Rechtsanwältin bei Kunz Schima Wallentin, die strikte Umsetzung von Compliancemaßnahmen: Verfassen eines Verhaltenskodex; Vorschriften über Produktsicherheit, Schuldung der Mitarbeiter in sämtlichen für ihre Tätigkeiten maßgeblichen berufsrechtlichen Vorschriften. Und: „ Die Führungsebene muss hinweisen, dass rechtswidriges Verhalten streng geahndet wird.“ Das Complianceprogramm dürfe nicht nur auf dem Papier stehen, sondern müsse im Unternehmen gelebt werden.

Knötzl sieht das ähnlich: Nötig sei ein effizientes internes Kontrollsystem sowie Qualitäts – und Riskmanagement, um die Einhaltung der Compliance zu überprüfen und durchzusetzen. „ Sämtliche Präventionsmaßnahmen sind genau zu dokumentieren. Denn selbst wenn diese Maßnahmen eine Straftat nicht verhindern können und dem Unternehmen eine Strafverfahren droht, sind die bisherigen Anstrengungen – und deren Nachweis – maßgeblich dafür, ob es zu einer Verurteilung kommt, wie hoch die verhängte Geldbuße ausfällt und ob diese bedingt nachgesehen wird.“
Autor : Mag. Katharina Braun, "Die Presse"