Rechtsanwältin Mag. Katharina Braun
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Von Vätern, Kindern und Detektiven

Die technischen Möglichkeiten zur Feststellung der Vaterschaft sind ausgereift – rechtlich ist aber vieles unklar. Vor allem fehlen in Österreich Regeln darüber, wann Tests legal sind und wann nicht.

In Österreich werden rund 4000 Vaterschaftstests durchgeführt. In jedem vierten Fall stellt sich heraus, dass derjenige der als Kindesvater gilt, es tatsächlich nicht ist. Im Klartext: Pro Jahr irren sich mindestens 1000 Mütter bei der Angabe zur Vaterschaft – oder sagen bewusst die Unwahrheit.

Diese relativ hohe Zahl erklärt Susanne Haas, Molekulargenetikerin und Leiterin des Labor Confidence, zum Teil mit dem Phänomen des „ Gen – Shopping“. „ Es gibt Studien die besagen, dass Frauen, klischeehaft gesprochen, in ihren fruchtbaren Tagen auf den muskelbepackten Testosterontypen abfahren, während sie sonst auf den alltagstauglichen Mann setzen. Böse ausgedrückt: Für die Gene nimmt Frau sich den Macho, für die Erziehung des Kindes den Softie.“

Im Vergleich zu früher sind Vaterschaftstests heute um 400 – 500 Euro geradezu wohlfeil. Ein gerichtlich angeordneter Test schlägt mit 700 bis 1500 Euro zu Buche. Wichtig sei, so Haas, dass das Labor, in dem der Test durchgeführt wird, gerichtsverwertbare Gutachten erstellen kann und über die nötigen Zertifikate jährlicher Laborleistungstests verfügt.

Doris Täubel – Weinreich, Familienrichterin am Bezirksgericht Innere Stadt Wien und Vorsitzende der Fachgruppe Familienrecht bei der österreichischen Richtervereinigung, gibt jedoch zu bedenken, dass privat durchgeführte Tests im Streitfall oft nicht reichen. „ Selbst wenn ein solcher Test bereits vorliegt, wird gerichtlich ein nochmaliger Vaterschafstest durchzuführen sein.“ Schon allein deshalb, weil beim privat durchgeführten Test nicht unbedingt beweisbar sei, dass auch wirklich die DNA – Probe der richtigen Person verwendet wurde.

Detektive im Einsatz.

Denn nicht immer erfolgen private Tests im Einvernehmen der Betroffenen. Dass sich jemand zu diesem Zweck heimlich DNA – Material verschafft, kommt nicht nur in Romanen vor, sondern durchaus auch in der Realität. Fantasievolle Vorstellungen darüber erweisen sich als gar nicht so falsch, wie Markus Schwaiger, Berufsdetektiv und Gründer der Europäischen Detektiv – Akademie (Eurodet), bestätigt: „ Das reicht vom stundenlangen Observieren bis zum Wühlen im Müll.“ Gesucht werde etwa nach Taschentüchern, benützten Trinkgläsern oder – dosen, Kaugummis oder Zigarettenstummeln, Kostenpunkt für den Detektiveinsatz: „ Ab 200 Euro, nach oben offen, Je nach Situation.“

Mitunter braucht man allerdings gar nicht von allen Beteiligten DNA – Material. Will man feststellen, ob zwei Buben denselben Vater haben, komme man ohne DNA – Probe des Vaters aus, erklärt Haas. „ Die männlichen Nachkommen desselben männlichen Vorfahren tragen dasselbe Y – chromosomale Muster. Durch Vergleiche der Muster zweier oder mehrerer Personen lässt sich feststellen, ob diese vom selben Mann abstammen.“ Die Sicherheit der Tests sei extrem hoch: „ 99,99 Prozent für erwiesene sowie 100 Prozent für ausgeschlossene Vaterschaften.“

Wer darf was?

Ein rechtliches Anwendungsgebiet von Abstammungstests – aber längst nicht das einzige – ist die Vermögensweitergabe an leibliche Nachkommen. Haas: „ In Verlassenschaftsverfahren kommt es immer wieder vor, dass der Erblasser ein DNA – Profil hinterlegt hat, damit unberechtigte Erben als solche erkannt werden können.“

„Die früheren Blut – und erbanthropologischen Gutachten waren lange nicht so aussagekräftig wie die heutigen DNA – Tests,“ sagt Helene Klaar, Scheidungsanwältin aus Wien. Die technische Machbarkeit ist aber nur eine Seite der Medaille. Weit weniger Sicherheit herrscht in rechtlicher Hinsicht. Die Fragen rund um die Vaterschaftsfeststellungen sind vielschichtig und komplex: Wer hat überhaupt das Recht dazu, wer darf eine Vaterschaft bestreiten? Und welche Aussagekraft haben heimlich oder gar widerrechtlich beschaffte Beweismittel vor Gericht?

Der Wiener Rechtsanwalt Hermann Schwarz verweist zunächst auf den vom Gesetz normierten Unterschied zwischen ehelich und unehelich geborenen Kindern. Wird das Kind in einer aufrechten Ehe geboren, so gilt der Ehemann der Mutter gleichsam automatisch als Vater des Kindes. „ Bei unehelich geborenen Kindern gilt jener Mann als Kindesvater, der entweder die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist.“

Der Antrag auf Feststellung der Vaterschaft kann vom Kind gegen den Mann oder von diesem gegen das Kind gestellt werden. Ein Antragsrecht gegen den wahren Vater hat das Kind sogar dann, wenn fälschlicherweise die Vaterschaft eines anderen Mannes„ feststeht“. „ Hingegen steht dem leiblichen Vater kein derartiges Antragsrecht zu, wenn unrichtig ein anderer Mann als Vater festgestellt ist,“ so Schwarz. Er kann allerdings ein sogenanntes „ durchbrechendes“ Anerkenntnis abgeben. Wird dagegen Widerspruch erhoben, kann er die Abstammung gerichtlich feststellen lassen. Für ein minderjähriges Kind stellt die sorgeberechtigte Person, meist die Mutter, den Antrag. Aber, so Schwarz: „ Ein eigenes Antragsrecht hat die Kindesmutter nicht.“

Das Abstammungsverfahren ist ein Außerstreitverfahren, bei dem strenge Mitwirkungspflichten gelten. So haben nicht nur die Verfahrensparteien, sondern alle Personen, die zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können, bei der Befundaufnahme durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen mitzuwirken. Zur Gewinnung von Gewebeproben kann das Gericht nötigenfalls sogar Zwangsmaßnahmen anordnen, bis hin zur Vorführung und zwangsweisen Abnahme. Begründet wird dies damit, dass die Feststellung der Abstammung ein elementares Grundrecht jedes Menschen ist.

Die Vaterschaft anerkennen kann man durch persönliche Erklärung in einer inländischen öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde. Nicht immer ist damit aber das letzte Wort gesprochen. „ Das Kind oder die Mutter können gegen das Anerkenntnis innerhalb von zwei Jahren bei Gericht Widerspruch erheben“, so Klaar.

Ist zum Zeitpunkt der Anerkennung bereits die Vaterschaft eines anderen Mannes festgestellt, so wird das Anerkenntnis erst rechtswirksam, wenn rechtskräftig festgestellt ist, dass der andere Mann nicht Vater des betreffenden Kindes ist. Erheben derjenige, der als Vater gilt, oder die Mutter Widerspruch gegen das Anerkenntnis, hat der Anerkennende das Recht, durch das Gericht feststellen zu lassen, dass das Kind von ihm stammt. Ein Verfahren zur Bestreitung der ehelichen Abstammung konnte vor dem 1. Jänner 2005 nur jener Mann einleiten, der kraft gesetzlicher Vermutung als Vater galt. Der Verfassungsgerichtshof erkannte jedoch, dass dieses Recht auch dem Kind zukommen muss. „ Ich finde es aber nicht gerecht, dass Müttern dieses Recht nach wie vor nicht direkt zukommt“, kritisiert Klaar.

Kleinkind als Gegner.

Gestellt werden kann der „ Antrag auf Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter“ binnen zwei Jahren ab Kenntnis der dafür sprechenden Umstände, wobei die Frist frühestens mit der Geburt des Kindes beginnt. Daraus entstehen oft jene traurigen Fälle, in denen in der Klagsschrift auf Beklagtenseite der Name eines Kleinkindes steht – wenn auch vertreten durch die Kindesmutter. Sind seit der Geburt des Kindes mehr als 30 Jahre vergangen, kann nur mehr das Kind den Antrag stellen.

Nicht immer muss es zu einem Streitfall ausarten, will man verworrene Abstammungsverhältnisse klären. Ohne Formalitäten geht es allerdings nie ab. „ Ergibt sich aus einem Vaterschaftstest, dass die Vaterschaft jenes Mannes, der bisher als Vater gegolten hat, zweifelsfrei auszuschließen ist, ändert sich noch nichts an den Statusverhältnissen“, gibt Klaar zu bedenken. „ Diese können erst über Anträge der Betroffenen rechtlich korrigiert werden.“

Kommt es dazu, stellen sich in weiterer Folge oft wirtschaftliche Fragen. Etwa jene, ob die Eltern des Kindes womöglich jenem Mann gegenüber ersatzpflichtig sind, der bisher – im Glauben an seine Vaterschaft – für das Kind Unterhalt geleistet hat. „ Die Beurteilung der Entschädigungsansprüche setzt eine genaue Untersuchung der konkreten Lebensumstände der Betroffenen voraus“, sagt Schwarz. Eine Rolle spielt dabei unter anderem, ob das Kind in einer Ehe oder unehelich geboren wurde und seit wann der betroffene Mann weiß, dass er nicht der leibliche Vater ist. Wegen der vom sogenannten Scheinvater an das Kind geleisteten Unterhaltszahlungen kommen gegen den wahren Vater Aufwandsersatzansprüche in Betracht, gegen die Kindesmutter parallel dazu Schadenersatzansprüche.

Bedenkt man die oft sehr weitreichenden finanziellen Folgen, wird klar, warum bei der Beschaffung von Beweisen mitunter alle Register gezogen und fallweise auch die Grenzen der Legalität überschritten werden. Diese Grenzen sind hierzulande allerdings nicht immer deutlich auszumachen. Klarer ist die Rechtslage in Deutschland: Dort sind private Tests dann erlaubt, wenn alle Betroffenen – beziehungsweise bei minderjährigen Kindern die obsorgeberechtigte Person – mit der Durchführung einverstanden sind.

„Heimliche“ Vaterschaftstests, die ohne Zustimmung des Kindes beziehungsweise der Mutter als Vertreterin des Kindes in Auftrag gegeben werden, gelten dort als Ordnungswidrigkeit. Sowohl dem Auftraggeber als auch dem ausführende Labor drohen Geldstrafen.

In Österreich fehlen dagegen, so Schwarz, bis dato gesetzliche Regelungen zu dieser Thematik. Laut Haas lassen deshalb auch immer mehr Betroffene aus Deutschland, die der dort geltenden „ männerfeindlichen“ Regelung ausweichen wollen, privat in Österreich einen Vaterschaftstest durchführen. Aber: „ Da dabei die Proben von Vater und Kind zu uns geschickt werden, ist das Gutachten nicht gerichtsverwertbar. Es dient nur der persönlichen Kenntnis.“

Interessenabwägung.

Dass in Österreich eine rechtliche Regelung fehlt, bedeutet nicht, dass heimliche Untersuchungen grundsätzlich legal sind. Letztlich muss eine Güterabwägung stattfinden: Dem Recht des Mannes, zu wissen, von wem ein ihm rechtlich zugeordnetes Kind tatsächlich abstammt, steht dabei das Selbstbestimmungsrecht des Kindes gegenüber.

Allerdings kann sogar ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel ausnahmsweise seinen Zweck erfüllen. „ Das wird ähnlich zu beurteilen sein wie die Frage der Zulässigkeit gesetzwidrig erlangter Tonbänder“, sagt Täubel – Weinreich. Letztere können laut Judikatur nach entsprechender Interessenabwägung in besonderen Ausnahmefällen verwendet werden, wenn es um die Verfolgung „ überragender“ berechtigter Interessen geht. Wer sich auf ein solches Beweismittel beruft, muss nachweisen, dass seine subjektiven Interessen höher zu bewerten sind als die Verletzung der Privatsphäre des Prozessgegners.

Besonders heikel kann die Interessenabwägung werden, wenn eine Ehefrau vermutet, ihr Ehemann habe ein Kind mit einer anderen Frau gezeugt, und das in einem Scheidungsverfahren geltend macht. Da das betroffene Kind in diesem Verfahren nicht Partei ist, wird sich ein DNA – Gutachten nicht erzwingen lassen. Täubl – Weinreich verweist diesbezüglich auf die Gesetzesmaterialien zum Familien – und Erbrechtsänderungsgesetz 2004, wonach dem Schutz der „ sozialen Familie“ größeres Gewicht zukommt. Das Verweigern eines freiwilligen Vaterschaftstest hat in einem solchen Fall allerdings ebenfalls eine gewisse Aussagekraft. Wie das zu bewerten ist, unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung. Bei allen juristischen Spitzfindigkeiten darf aber, so Klaar, eines nicht übersehen werden: „ Hinter all diesen Fällen stecken oft sehr traurige Kinderschicksale.“ Rechtsverfolgung um jeden Preis könne hier leicht auf Kosten der Kinder gehen.

Vater unbekannt.

Traurige Schicksale sind mitunter auch der Hintergrund, wenn in einer Geburtsurkunde „ Vater unbekannt“ angegeben ist. „ Zum Teil dürften Frauen Angst haben, dass der Kindesvater sie mit Obsorgeanträgen eindecken und ihnen das Kind streitig machen will,“ so Täubel – Weinreich. Oder sie fürchten sich vor Gewalttätigkeiten, wenn – zumeist auf Druck des Jugendamtes – Unterhaltsanträge gestellt werden. Hält eine Mutter den Namen des Kindesvaters geheim, muss sie sich allerdings über eines im Klaren sein: Mangels eines Unterhaltsschuldners kann kein Unterhaltsvorschuss geltend gemacht werden.

Nicht selten liegt das Interesse an der Geheimhaltung auch beim Vater. Dann fließen oft Zahlungen an Mutter und Kind, mitunter gibt es diesbezüglich – und eventuell sogar über die Anerkennung der Vaterschaft – sogar einen Notariatsakt, den aber nur die beiden Elternteile kennen. Brisant kann das werden, wenn der Kindesvater stirbt – dann sind seine ehelichen Kinder plötzlich mit einem neuen Geschwisterchen konfrontiert. Für die „ heimlichen“ Väter sind derartige Übereinkünfte ebenfalls nicht ohne Risiko: Sie schützen nicht davor, irgendwann doch mit einem Anspruch auf Unterhaltsnachzahlungen konfrontiert zu werden.

Autor : Mag. Katharina Braun für die Tageszeitung „die Presse“ – 30.11.2010